WWW.AZCHORDS.COM | Reinhard Mey - Die Eisenbahnballade Chords | Ver. 1
[Verse]
Am G
Ein dichter Nebel senkte sich auf die große, fremde Stadt.
Dm Esus4 E
Ein langer Arbeitstag lag hinter mir, ich war abgespannt und matt.
Am C E F
Zu müde für die Autobahn, zu spät für den letzten Flug.
Dm Am G Am Asus2
Doch ich wollte nach Haus, und da fand ich heraus, gegen Mitternacht ging noch ein Zug.
Am G
Es blieb noch etwas Zeit, ich wusste nicht wohin, so stand ich am Bahnhof herum:
Dm Esus4 E
Einem Prunkbau aus längst vergangener Zeit, Drängeln, Suchen und Schieben ringsum.
Am C E F
Ich sah die Reisenden, die Wartenden und die Gestrandeten der Nacht,
Dm Am G Am A4
So viel Gleichgültigkeit, so viel Jammer und Leid unter so viel kalter Pracht.
Am G
Ich trat auf den offenen Bahnsteig hinaus, die nasskalte Luft hielt mich wach.
Dm Esus4 E
Ich fröstelte, schlug meinen Kragen hoch und sah meinem Atem nach.
Am C E F
Aus der Dunkelheit schwebten überm Gleis drei Lichter, mein Zug fuhr ein.
Dm Am G Am Asus2
Eine Wagentür schlug, es war warm in dem Zug, und ich war im Abteil ganz allein.
Am G
Lautlos fuhren wir an, und die Lichter der Stadt versanken in milchigem Brei.
Dm Esus4 E
Und immer schneller flogen erleuchtete Fenster und Vorstadtbahnhöfe vorbei.
Am C E F
Noch ein Bahnübergang, ein paar Scheinwerfer, und die Welt da draußen verschwand.
Dm Am G Am Asus2
Mein Abteillicht fiel weiß, auf den Schotter am Gleis, und ich ahnte das dunkle Land.
[Verse]
Dm Am F E
Und durch die Dunkelheit drang der monotone Klang der Räder auf dem Schienenstrang,
F G C Dm E7 Am Am A Asus2 A
Ein einsamer Gesang, den stählernen Weg entlang.
[Verse]
A D A D
Vorn an der Trasse standen sie, die Haut wettergegerbt.
Hm A Esus4
Mit ihren Spaten hatten sie Adern ins Land gekerbt,
A D E A
Mit Hacken und mit Hämmern hatten sie Berge bewegt
D E A D A
Und Schwellen über Schotter und darauf Schienen gelegt.
F#m C#m
In bittrem Frost, sengender Glut, in Regen, Tag für Tag,
F#m C#m
Nachts einen Strohsack auf dem Boden im Bretterverschlag.
Hm F#m
Und wieder auf beim Morgengrau'n für jämmerlichen Lohn
Hm D E
Und noch ein neues Vermögen mehr für den Stahlbaron.
A D A
Und bald fauchte das Dampfross funkensprühend durch das Land.
A Hm7 E
Manch neue Industrie und manch Imperium entstand,
D E A D
Manch unschätzbarer Reichtum, doch an jedem Meter Gleis,
Hm D A/E E7 A A4 A4 A
Jeder Brücke, jedem Tunnel klebten Tränen, Blut und Schweiß.
A D A D
Die Eisenbahn trug Fortschritt, technische Revolution
Hm A Esus4
In jeden Winkel, bis in die entlegenste Station.
A D E A
Trug Güter von den Seehäfen bis an den Alpenrand,
D E A D A
Verband Menschen und Städte und trug Wohlstand in das Land.
[Verse]
F#m C#m
Doch der großen Erfindung haftet stets die Tragik an,
F#m C#m
Dass sie dem Frieden, aber auch dem Kriege dienen kann.
Hm F#m
Endlose Rüstungszüge rollten bald schon Tag und Nacht:
Hm D E
Kriegsgerät und Kanonen war'n die vordringliche Fracht.
A D A
Schon drängte sich auf Bahnhöfen siegesgewiss das Heer,
A Hm7 E
Den Jubel auf den Lippen und mit Blumen am Gewehr,
D E A D
In fahnen- und siegesparol'n behangene Waggons
Hm D A/E E7 A A4 A4 A
Nach Lemberg oder Lüttich, nach Krakau oder Mons.
A D A D
Im Trommelfeuer von Verdun erstarb der Siegeswahn,
Hm A Esus4
Aus Zügen wurden Lazaretts, und diesmal sah die Bahn
A D E A
Den Rückzug der Geschlagenen und – den Kriegsherren zum Hohn –
D E A D A
Im Waggon im Wald von Compiègne, die Kapitulation.
F#m C#m
Millionen Tote auf den Schlachtfeldern, sinnloses Leid.
F#m C#m
Wer heimkehrte, fand Elend, Not und Arbeitslosigkeit.
Hm F#m
Doch auf dem Boden des Zusammenbruchs gediehen schon
Hm D E
Die Schieber und die Kriegsgewinnler, die Spekulation.
[Verse]
A D A
Aber es spross auch aus den Wirr'n verstrickter Politik
A Hm7 E
Der zarte, schutzbedürft'ge Halm der ersten Republik.
D E A D
Doch Kleingeist, Dummheit und Gewalt zertrampelten ihn gleich
Hm D A/E E7 A A4 A4 A
Mit Nagelstiefeln auf dem Weg ins Tausendjähr'ge Reich.
A D A D
Die Unmenschen regierten, und die Welt sah zu und schwieg.
Hm A Esus4
Und wieder hieß es: „Räder müssen rollen für den Sieg!“
A D E A
Und es begann das dunkelste Kapitel der Nation,
D E A D A
Das dunkelste des Flügelrades: Die Deportation.
F#m C#m
In Güterwaggons eingeschlossen, eingepfercht wie Vieh,
F#m C#m
Verhungert und verzweifelt, nackt und frierend standen sie,
Hm F#m
Hilflose Frau'n und Männer, Greise und Kinder sogar,
Hm D E
Auf der bittren Reise, deren Ziel das Todeslager war.
A D A
Dann aber brach der Zorn der Gedemütigten herein,
A Hm7 E
Kein Dorf blieb da verschont, da blieb kein Stein auf einem Stein,
D E A D
Und Bomben fielen, bis das ganze Land in Flammen stand,
Hm D A/E E7 A A4 A4 A
Die Städte ausradiert war'n und der Erdboden verbrannt.
[Verse]
A D A D
Der Krieg war mörderischer als jemals ein Krieg zuvor,
Hm A Esus4
Und schwer gestraft das Volk, das ihn frevelnd heraufbeschwor.
A D E A
In Trümmern und Ruinen strichen sie hungernd umher,
D E A D A
Die Überlebenden, die Ausgebombten, nichts ging mehr.
F#m C#m
Und immer längere Flüchtlingstrecks kamen Tag für Tag
F#m C#m
Und irrten durch ein Land, das unter Schutt und Asche lag.
Hm F#m
Der Überlebenswille zwang sie, nicht zu resignier'n,
Hm D A
Die Aussichtslosigkeit, das Unmögliche zu probier'n:
A D A
Noch aufzuspringen, wenn irgendwo ein Hamsterzug ging,
A Hm7 E
Wenn an den Waggontür'n schon eine Menschentraube hing.
D E A D
Ein Platz auf einem Puffer, einem Trittbrett bestenfalls
Hm D A/E E7 A A4 A4 A
Mit Hoffnung auf ein bisschen Mehl, Kartoffeln oder Schmalz.
A D A D
Was auf dem Bahndamm lag, wurde von Kindern aufgeklaubt,
Hm A Esus4
Und manch ehrlicher Mann hat manchen Kohlenzug beraubt.
A D E A
Und dann kamen die Züge mit den Heimkehrern besetzt,
D E A D A
Verwundet und zerschunden, abgerissen, abgewetzt.
[Verse]
F#m C#m
Wie viele Dramen spielten sich auf den Bahnsteigen ab!
F#m C#m
Suchen und Freudentränen, wo's ein Wiedersehen gab.
Hm F#m
Warten, Hoffen und Fragen, wird er diesmal dabei sein?
Hm D A
Viele kamen vergebens, und viele gingen allein.
A D A
Zerschoss'ne Loks und Wagen wurden recht und schlecht geflickt
A Hm7 E
Und auf ein abenteuerliches Schienennetz geschickt.
D E A D
Und der Puls begann zu schlagen, und aus dem Nichts entstand,
Hm D A/E E7 A A4 A4 A
Mit Hoffnungen und Träumen beladen, ein neues Land.
Dm Am
Und durch das Morgengrau'n drang der monotone Klang
F Esus4 E
Der Räder auf dem Schienenstrang,
Am G C Dm Esus4 Am
Ein schwermütiger Gesang, den stählernen Weg entlang.
Am G
Das Rattern der Räder über eine Weiche rief mich in die Gegenwart.
Dm Esus4 E
Übernächtigt war ich aufgewacht, ich war fast am Ziel meiner Fahrt.
Am C E F
Ich rieb mir die Augen und räkelte mich, das Neonlicht schien fahl,
Dm Am G Am
Und im leeren Raum, zwischen Wachen und Traum sah ich sie noch einmal:
Am G
Der Adler, der Fliegende Hamburger, die Preußische P 8,
Dm Esus4 E
Und die sagenumwobene O5 fauchten vor mir durch die Nacht.
Am C E F
Ein Gegenzug auf dem Nachbargleis riss mich aus den Träumen heraus.
Dm Am G Am
Ein Blick auf die Uhr, Zehn Minuten nur, Und zum Frühstück wär' ich zu Haus.
Am G
Draußen konnt' ich für Augenblicke in erleuchtete Fenster sehn.
Dm Esus4 E
Sah die Menschen auf dem Weg zur Arbeit auf den Vorstadtbahnhöfen steh'n,
Am C E F
Sah die Scheinwerfer der Autos vor den Schranken am Bahnübergang,
Dm Am G Am
Und eine Hoffnung lag Über dem neuen Tag Und in dem Sonnenaufgang.